Forever Young oder doch nicht? - Ein epidemiologischer Blick aufs Altern
- Thomas Steffen
- 4. Aug. 2024
- 4 Min. Lesezeit

đ” "Who wants to live forever?" â Diese Frage stellte Freddie Mercury in einem seiner bekanntesten Songs. Oder wie wĂ€re es mit Alphavilles Wunsch in "Forever Young"? Ein Song in schwierigen Zeiten mit dem ewigen Wunsch.
Der Traum vom ewigen Leben und der Wunsch nach ewiger Jugend sind tatsÀchlich tief in unserer Kultur verwurzelt. Aber was bedeutet es wirklich, alt zu sein? Ist es nur eine Zahl oder doch mehr? Werfen wir einen genaueren Blick darauf, wie das Altern tatsÀchlich aussieht und wie sich unsere Lebenserwartung in den letzten 100 Jahren verÀndert hat.
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Verbesserung der Lebenszeit in den letzten 100 Jahren
In den letzten 100 Jahren hat sich die Lebenserwartung in vielen LĂ€ndern erheblich verbessert. Diese erfreuliche Tatsache ist unter anderem auf bessere Lebensbedingungen, Fortschritte in der Medizin, und eine verbesserte Gesundheitsvorsorge zurĂŒckzufĂŒhren. WĂ€hrend Anfang des 20. Jahrhunderts die durchschnittliche Lebenserwartung in vielen LĂ€ndern noch unter 50 Jahren lag, hat sie sich heute in den meisten IndustrielĂ€ndern auf ĂŒber 80 Jahre erhöht.
Immer wieder eindrĂŒcklich ist hier beispielsweise der RĂŒckgang der SĂ€uglingssterblichkeit und die Zunahme der Lebenserwartung ab Mitte des 19. Jahrhunderts in der Schweiz (Abbildung 1).

Abbildung 1 Entwicklung SĂ€uglingssterblichkeit und Lebenserwartung Schweiz
Interessanterweise stieg die Lebenserwartung schon erheblich vor den bahnbrechenden Errungenschaften der modernen Medizin, was vor allem auf verbesserte Lebensbedingungen und Hygiene zurĂŒckzufĂŒhren ist.
So verĂ€nderte sich dann auch die altermĂ€ssige Zusammensetzung der der Gesellschaft. Abbildung 2 zeigt dies eindrĂŒcklich bei der Entwicklung der sogenannten Alterspyramiden von einer SĂ€ulenform im spĂ€ten 19. Jahrhundert ĂŒber die Pyramidenform in der Mitte des 20. Jahrhunderts bis zur Zwiebel- oder Urnenform gegen Ende des 20. Jahrhunderts und zur Pilz- oder Glockenform im 21. Jahrhundert. Diese VerĂ€nderungen kommen zustande durch den demografischen Ăbergang von hohen Geburten- und Sterberaten zu niedrigen Geburtenraten und hoher Lebenserwartung. Besonders auffĂ€llig ist die zunehmende Alterung der Bevölkerung, was durch eine breitere Spitze und eine schmalere Basis in der aktuellen Form der Alterspyramide sich zeigt.

Abbildung 2 Alterspyramiden 1860, 1950 und 2022 Schweiz
Kulturelle Unterschiede in der Wahrnehmung des Alters
Okay, wir werden immer Ă€lter, aber wann ist man eigentlich ârichtigâ alt? Die Wahrnehmung von Alter hat sich im Laufe der Geschichte verĂ€ndert und variiert auch heute noch stark zwischen verschiedenen Kulturen. Bevor wir uns mit aktuellen Diskussionen rund um das Alter beschĂ€ftigen, werfen wir einen Blick darauf, wie sich die Definition von "alt" im Laufe der Zeit und in verschiedenen Kulturen entwickelt hat.
Die Frage, ab wann man eigentlich alt ist, lĂ€sst sich ĂŒber die sozio-kulturelle Wahrnehmung nicht pauschal beantworten. Sie ist stark von kulturellen, sozialen und individuellen Faktoren bzw. deren Wahrnehmung abhĂ€ngig. So gilt zum Beispiel in Afrika oder Asien schon 50- bis 59-JĂ€hrige mehrheitlich als alt â fĂŒr die Mehrheit in Europa sind im Alter von 70 bis 79 Jahren Menschen alt und in den Vereinigten Staaten geht der Trend noch mehr ins höhere Alter (vergl. Branche: Alter ist relativ - planung&analyse (horizont.net)). Das hat auch praktische Folgen. So liegt das Renteneintrittsalter in China fĂŒr Frauen bei 55 Jahren, bei MĂ€nnern bei 60 Jahren.
In vielen traditionellen Gesellschaften wird das Alter mit Weisheit und Respekt assoziiert. Ăltere Menschen geniessen oft hohes Ansehen und ihre Erfahrung wird besonders wertgeschĂ€tzt. Im Gegensatz dazu wird in modernen, westlichen Gesellschaften das Alter hĂ€ufig mit Gebrechlichkeit und dem Verlust von LeistungsfĂ€higkeit verbunden. Diese unterschiedlichen Sichtweisen beeinflussen, wie Menschen ihre eigene Alterung wahrnehmen und dies wiederrum steht in Wechselwirkung wie sie in der Gesellschaft gesehen werden.
Ein aktuelles Beispiel fĂŒr unterschiedliche kulturelle Wahrnehmungen des Alters waren die Diskussionen um die PrĂ€sidentschaftskandidaten Joe Biden und Donald Trump. Beide sind ĂŒber 75 Jahre alt und zeigen, dass das Alter unterschiedlich interpretiert und bewertet werden kann. Die Tatsache, dass die KrĂ€fte mit dem Alter abnehmen und damit auch die LeistungsfĂ€higkeit ist aber bei allen individuellen Unterschieden und Interpretationen nicht wegzudiskutieren. Hilft hier vielleicht die Biologie, um das Alter besser zu definieren.
Das Alter aus biologischer Sicht
Wann altern wir aus biologischer Sicht? Die Antwort ist verblĂŒffend banal. Eigentlich mit der Geburt. Ja, selbst ein Embryo altert, wenn man âAlternâ als den biologischen Prozess des Wachsens und der Entwicklung versteht.
Das Altern im Sinne einer Abnahme von Körperfunktionen beginnt auch nicht erst im hohen Alter, sondern ist ein Prozess, der schon frĂŒh messbar im Leben einsetzt. Bereits um das 20. Lebensjahr beginnt zum Beispiel die Zahl der LungenblĂ€schen abzunehmen, die Haut verliert an Spannkraft und Seh- und Hörkraft lassen langsam nach. Zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr treten die ersten grauen Haare auf, die Gelenkknorpel zeigen erste Abnutzungserscheinungen und die Fruchtbarkeit nimmt ab.
Ab dem 55. Lebensjahr wird der Alterungsprozess zunehmend allgemein spĂŒrbar, auch weil die körperlichen Reserven nicht mehr so viel Spielraum aufweisen. Wir werden verletzlicher und spĂ€ter auch gebrechlicher. Diese Gebrechlichkeit nimmt dann mehr und mehr zu. Zu ihr gehören verschiedene Symptome wie:
geringere Kraft und Ausdauer
schnelles ErmĂŒden
verlangsamtes Gehen
ungewollter Gewichtsverlust
Abbau von Muskelmasse
verringerte Organfunktionen
Diese Symptome fĂŒhren zu einer deutlich verminderten körperlichen und manchmal auch geistigen Widerstands- und LeistungsfĂ€higkeit, was in der Medizin als erhöhte VulnerabilitĂ€t bezeichnet wird. Alte Menschen haben so beispielsweise ein höheres Sturzrisiko, entwickeln hĂ€ufiger Komplikationen medizinischen Behandlungen und benötigen lĂ€nger bei Heilungsprozessen. Das Risiko fĂŒr schwere Erkrankungen nimmt zu.
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Fazit
Die Frage, wann man eigentlich alt ist, bleibt komplex und vielschichtig. Sie ist sowohl von individuellen als auch kulturellen Faktoren abhÀngig und hat sich im Laufe der Geschichte immer wieder verÀndert. Trotz der fortschreitenden medizinischen und sozialen Entwicklungen bleibt das Altern ein unvermeidlicher Prozess. Doch mit den richtigen Massnahmen können wir unsere LebensqualitÀt auch im Alter deutlich verbessern. Im nÀchsten Blog werden wir uns mit diesen Massnahmen zur Förderung der eigenen Gesundheit nÀher beschÀftigen ganz im Sinne "Forever Young" von Bob Dylan. Bleiben Sie dran und bleiben Sie vor allem gesund!
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