
Gegenwärtig mischen sich die dramatischen Bilder aus Afghanistan, der Tropensturm Ida bei vielen mit der eigenen Pandemiemüdigkeit. Viele leiden unter den Emotionen von Hilflosigkeit bis Wut auf wen oder was auch immer.
Vor diesem Hintergrund rückt die Abhängigkeit des Einzelnen von seinem sozialen Kontext vermehrt ins Bewusstsein und wir entdecken einmal mehr, dass wir längst nicht so unabhängig und individuell agieren können, wie wir als Menschen des 21. Jahrhunderts es vielleicht in unseren Breiten oft meinen. Dieser in uns lebende Drang zur Gemeinschaft definierte Alfred Adler einmal als Kombination von „sich in einer Gemeinschaft geborgen zu fühlen“ und gleichzeitig dem Bedürfnis „zu einem Gemeinschaftswohl beitragen zu können“. Der Mensch ist in diesem Bild ein zutiefst soziales Wesen, das ohne die Gemeinschaft nicht leben kann.
Was heisst dies nun für die psychische Gesundheit von traumatisierte Menschen oder auch nur für Menschen, welche unter der Last der vielen negativen Meldungen leiden? Was können wir in solchen Krisenzeiten für uns und andere machen?
Mit dieser Frage wird eine Urwurzel der modernen Gesundheitsförderung angesprochen, welche ihre ersten Erkenntnisse aus der Befragung von Menschen mit traumatisierenden Erfahrungen zog.
So fiel dem Medizinsoziologen Aaron Antonovsky bei einer Studie über die Wechseljahre auf, dass rund 30 Prozent der Frauen, die ein Konzentrationslager überlebt hatten, trotz dieser schrecklichen Erfahrung über eine gute psychische Gesundheit verfügten. Dieses Resultat beschäftige und beeinflusste ihn nachhaltig: „Den absolut unvorstellbaren Horror des Lagers durchgestanden zu haben, anschliessend jahrelang eine deplatzierte Person gewesen zu sein und sich dann ein neues Leben in einem Land (…) aufgebaut zu haben, das drei Kriege erlebte … und dennoch in einem angemessenen Gesundheitszustand zu sein! Dies war für mich die dramatische Erfahrung (...).“
In der Folge erarbeitete er eine bahnbrechende neue Sicht auf die Gesundheit und ihre Entstehung bzw. ihren Erhalt. Drei Punkte hat A. Antonovsky in seiner späteren Arbeit herausgearbeitet, welche die Gesundheit unterstützen:
1.) Verstehbarkeit (comprehensibility): Die Fähigkeit mit seinen eigenen Gefühlen und seiner Wahrnehmung umzugehen. Hier prägte er auch den Begriff des Kohärenzgefühls, also die Fähigkeit auch unvorhergesehene Ereignisse einordnen zu können.
2.) Sinnhaftigkeit (meaningfulness): Im Leben umsetzbare Verpflichtungen und Ziele zu haben, welche dem eigenen Leben Sinn geben.
3.) Bewältigbarkeit (manageability): Die Fähigkeit auch unangenehme Veränderungen als Herausforderungen anzunehmen.
Wem das gerade etwas zu theoretisch ist, dem seien zum Beispiel die Lebenserinnerungen von Gertrude Pressburger (https://de.wikipedia.org/wiki/Gertrude_Pressburger ), einer Überlebenden des Holocaust, ans Herz gelegt. Der damalig Elfjährigen schrieb der Vater im Jahre 1938 in ihr Erinnerungsbuch. „Halt hoch den Kopf, was dir auch droht, und werde nie zum Knechte.“. Es wurde ihr Lebensmotto.
Was heisst das in einer Zeit, in der die negativen Meldungen schon fast zur Epidemie werden und gelebte Realität sich zeitweise mit diesen vermischt? Hier hilft es sich an die drei obigen Grundelemente der Gesundheitsförderung zu erinnern:
Halten Sie sich Ihre Welt real und verständlich, suchen sie sich aktiv und persönlich Sinnziele und nehmen Sie Herausforderungen des Lebens an. Dabei ist wichtig, dass jeder - noch so klein scheinende - stärkende Beitrag zählt um sich und andere zu stützen und uns weiterzuentwickeln. Wir sollten uns – das ist die Botschaft der modernen Gesundheitsförderung – gerade in solchen schwierigen Zeiten nicht unterkriegen lassen, sondern unseren Weg bewusst gehen.
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